Von einer einer Prozessaufrechnung spricht man, wenn die Erklärung einer Aufrechnung und die Berufung darauf einheitlich im Zivilprozess erfolgen. Die Erklärung ist dabei materiellrechtlich zu bewerten, das Berufen auf die Erklärung prozessrechtlich. Daraus folgt, dass die Prozessaufrechnung eine Doppelnatur hat. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass eine Partei außerhalb des Prozess die Aufrechnung erklärt hat und sich im Prozess nur noch darauf beruft.
Die Prozessaufrechnung ist eine Primäraufrechnung, wenn sie unbedingt erfolgt im Unterschied zur Eventualaufrechnung.
Die Prozessaufrechnung ist ein Verteidungsmittel, so dass hier die Präklusionsvorschriften des § 296 ZPO anwendbar sind. Sie ist in der ZPO explizit nicht geregelt. Sie wird aber in § 145 Abs. 3 ZPO und § 322 Abs. 2 ZPO erwähnt.
Über die Prozessaufrechnung wird grundsätzlich im Ausgangsverfahren entschieden. Stehen die beiden Forderungen nicht in einem rechtlichen Zusammenhang kann das Gericht gemäß § 145 Abs. 3 ZPO über die Aufrechnung in einem selbständigen Verfahren entscheiden. Wird nach Trennung das Bestehen der Klageforderung verneint, erübrigt sich das Verfahren über die Gegenforderung. Wird das Bestehen der Klageforderung bejaht und läuft das Verfahren über die Gegenforderung noch, kann das Gericht mittels Vorbehaltsurteil entscheiden. Andernfalls muss es das Ergebnis dieses Verfahrens in seinem Urteil berücksichtigen.
Bei rechtswegfremden Gegenforderungen kann das nach vertretener Ansicht wegen § 17 Abs.2 GVG auch über das Bestehen dieser Forderung entscheiden (VGH Kassel, MDR 1995, 203). Nach anderer Ansicht kann es die rechtswegfremde Gegenforderung nur berücksichtigen, wenn sie unbestritten ist oder über sie rechtskräftig entschieden wurde. Gegebenenfalls ist das Verfahren bis zu einer solchen Entscheidung analog § 148 ZPO auszusetzen (BAG NJW 2002, 317; BVerwG NJW 1999, 160, 161; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 312). Die andere Ansicht macht aber zum Teil Ausnahmen, wenn für die eine Forderung das Zivilgericht und für die andere das Arbeitsgericht zuständig ist (LAG München, MDR 1998, 783).
Weist das Gericht eine Aufrechnung aus prozessualen Gründen zurück, so entfällt auch ihre materiellrechtliche Wirkung (Thomas/Putzo, ZPO, § 145 Rn. 18). Erreicht wird dies über die Unterstellung, dass jeder Aufrechnende, die materielle Wirksamkeit stillschweigend an die Bedingung knüpft, dass das Gericht sie nicht aus prozessualen Gründen zurückweist. Ein Rückgriff auf § 139 BGB ist nicht notwendig.
Umstritten ist, ob die Aufrechnungserklärung im Prozess dazu führt, dass die Gegenforderung rechtshängig wird. Die h.M. in der Rechtsprechung verneint dies unter Verweis auf die praktischen Konsequenzen (BGHZ 57, 243 f). Der Aufrechnende könnte z.B. keine Widerklage mehr erheben.
Bleibt die Aufrechnung erfolglos, erstreckt sich gemäß § 322 Abs. 2 ZPO die Rechtskraft auch auf die Gegenforderung, soweit mit ihr die Aufrechnung erklärt wurde. Über den Wortlaut des § 322 ZPO hinaus, nimmt die h.M. dies auch bei erfolgreicher Aufrechnung an (BGHZ 36, 316, 319).
Das gilt allerdings beides nur, soweit das Gericht sich tatsächlich zum Bestand der Gegenforderung geäußert hat. Weist das Gericht die Aufrechnung aus formell- oder materiellrechtlichen Gründen zurück, hat es damit nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung gesagt. Gleiches gilt, wenn es die Klage abweist, weil die Klageforderung gar nicht erst entstanden ist. In diesen Fällen kann die Gegenforderung noch in einem anderen Prozess geltend gemacht werden.
§ 322 BGB ist analog auf die Fälle anwendbar, in denen sich der Kläger gegen eine Aufrechnung des Beklagten selbst wiederum mit dem Einwand einer Aufrechnung wehrt (BGH NJW 1992, 982, 983). Ob § 322 BGB auch analog anwendbar ist, wenn der Kläger selbst die Hauptforderung durch Aufrechnung zum Erlöschen bringt, und der Beklagte dies bestreitet ist umstritten (Dagegen BGHZ 89, 349, 352; dafür Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 307).
Für ein Beispiel zur Berechnung der in Rechtskraft erwachsenden Beträge siehe unter Prozessaufrechnung Rechtkraft, Beispiel.
Bestand die Aufrechnungslage schon vor Klageerhebung hat der Kläger soweit seine Klage abgewiesen wurde die Kosten zu tragen. Entstand die Aufrechnungslage erst im Prozess, kann die Sache für erledigt erklärt werden mit der Kostenfolge des § 91a ZPO.
Der Kostenstreitwert berechnet sich aus der Höhe der Klageforderung zuzüglich der Summe der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen über die Gegenforderungen (§ 45 Abs. 3 GKG).
Bei der erfolgreichen Hilfsaufrechnung ist zu beachten, dass der Kläger, da über seine Forderung grundsätzlich positiv entschieden wurde, nur einen Teil der Kosten zu tragen hat. Entsprechend trägt der Beklagte bei der Eventualaufrechnung im Gegensatz zur Primäraufrechnung auch bei erfolgreicher Aufrechnung einen Teil der Kosten (Musielak-Wolst, § 145 Rn.28; bestr.).
Wird darum gestritten, ob die im Prozess erklärte Aufrechnung ein erledigendes Ereignis ist (siehe unter einseitige Erledigungserklärung), ist umstritten, ob das erledigende Ereignis bereits mit Entstehen der Aufrechnungslage oder erst mit Erklärung der Aufrechnung (so wohl BGH) eintritt.
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